Wie Gérald Genta die Uhrenbranche veränderte
“I don’t like watches! For me, watches are the antithesis of liberty.”
Diese kontroverse Aussage tätigte einst Gerald Genta. Paradox, wenn man bedenkt, dass dieser Mann einer der bedeutendsten Uhrendesigner im zwanzigsten Jahrhundert war und er großen Einfluss auf die gesamte Uhrenszene hatte.
Doch manchmal pflegen die großartigsten Schöpfer eine Hassliebe zu ihrem Handwerk.
Wer genau war Gerald Genta und was macht seinen Namen so besonders?
Gerald Genta war einer der bedeutendsten Uhrendesigner des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit seiner jungen, avantgardistischen Designsprache, aus welcher unter anderem die Audemars Piguet Royal Oak und die Patek Philippe Nautilus entspringen, revolutionierte er die Luxusuhrenindustrie maßgeblich.
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Die Genta Story
Gerald Genta wurde am 1. Mai 1931 als Sohn einer schweizerischen Mutter und eines italienischen Vaters geboren.
Genta lernte eigentlich einst das Handwerk des Goldschmieds und Juweliers. Zu Beginn seiner Laufbahn schienen seine Möglichkeiten allerdings zunächst begrenzt. Denn als er 1950 ausgelernt hatte, fand er zunächst keine Stelle. Also nahm er diverse Gelegenheitsjobs an und kam so über die Runden. Dabei strich er nur einen überschaubaren Lohn von 15 Franken pro Design ein. Da liegt es nahe, dass vor allem die Quantität im Vordergrund stand.
Schließlich stieg Genta aber doch bei einer der renommiertesten Uhrenmanufakturen der Schweiz ein namens Universal Geneve ein.
Im zarten alter von gerade einmal 23, entwarf er dort die SAS Polrouter. Diese Uhr wurde nicht nur zu einem großartigen Erfolg, sie sollte auch den Grundstein für Genta bemerkenswerten Werdegang in der Uhrenwelt legen.
Die Zusammenarbeit mit Universal Genève sollte Mitte der 1960er bereits zu einem Ende finden. Damals kamen zahlreiche Uhrenfirmen auf den aufstrebenden Designer zu.
Zuerst erneuerte Genta die Constellation Serie für Omega, welche ebenfalls zu einem großen Erfolg werden sollte.
Und im Jahre 1970 entwarf er schließlich die legendäre Royal Oak für Audemars Piguet, welche zum erfolgreichsten Modell der Marke wurde.
Ja, der junge Designer hatte einen wahrhaftigen Lauf. Es erweckte beinahe den Anschein, dass alles, was er berührte zu Gold wurde.
Dies wurde spätesten klar, als er wenige Jahre später die Nautilus für Patek Philippe entwarf. Dabei handelte es sich um eine ovale Stahluhr, welche an einem Segelschiff inspiriert war und sich im Laufe der Jahre als das erfolgreichste Modell der Marke durchsetze.
Genta verstand es sehr gut, den Zeitgeist zu erkennen und mitzubestimmen. Denn seine Designs waren die ideale Balance zwischen eleganter Sportlichkeit und Luxus.
Damit nicht genug Genta kollaborierte auch mit Marken wie IWC, Cartier, Rolex, Van Cleef & Arpels, Chaumet, Hamilton, Blugari sowie Timex und Seiko.
Doch Genta hatte es satt, dass andere ständig die Lorbeeren für seine Arbeit einstrichen, und so entschied er sich kurzerhand dazu, sich selbständig zu machen.
Also gründete Genta auch seine eigene Marke im Jahr 1969. Dabei lebte er sich frei aus und kreierte außergewöhnliche Stücke für ausgewählte Kunden.
Zu seinen exklusivsten Kunden zählen der marokkanische König, diverse Sultane, der König von Spanien, der König von Saudi-Arabien sowie die Queen von England. Für allesamt entwickelte er einzigartige prestigeträchtige Modelle, welche teilweise Jahre in der Entwicklung erforderten.
In den 80er Jahren erhielt er sogar eine Lizenz von Disney, Uhren mit dem Design der ikonischen Comic Figuren von Disney zu kreieren.
Seine Vision war getrieben von Innovation und Kreativität, was es ihm ermöglichte, neue Materialien und Designlinien mit der komplexen Uhrmacherkunst in Form einer Armbanduhr zu kombinieren.
Er zog stets unkonventionelle Inspirationsquellen wie etwa von Künstlern und Designern heran. Seine neuen Ansätze gepaart mit seinem ausgezeichneten Know-How verschaffte Genta sehr großes Ansehen in der Luxusuhrenindustrie.
Von den 1980ern bis in die 2000er packte Genta dann das Reisefieber und er zog mit seiner Frau Evelyn um die Welt, um seine Marke groß zu machen. Während der Designer mit dem Entwerfen einzigartiger Uhren neue Meilensteine setzte und beschäftigt war, kümmerte sich seine Frau Evelyn eifrig um die Marktausdehnung in Asien Europa und im Mittleren Osten.
Als Genta dann schließlich seine Firma im Jahre 1999 an ein asiatisches Unternehmen veräußerte, konnte er sich endlich ausschließlich seiner großen Liebe dem Design hingeben.
Unglücklicherweise ging der passionierte Visionär 2011 im Alter von 80 Jahren von uns. Während seiner Laufbahn entwarf mehr als hunderttausend Uhren. Doch was bleibt, ist sein Einfluss, den er auf die Uhrenindustrie hatte. Denn es war Gerald Genta, dem es gelang alte Konventionen aufzubrechen und die Vorstellung von Design und Komposition bei einer Uhr neu zu schreiben. Er schaffte ein völlig neues Kunstverständnis, was das Design von Armbanduhren betrifft.
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Die wichtigsten Schöpfungen
Die Polarouter
Die erste namenhafte Schöpfung ist die Polarouter für SAS. Dabei handelt es sich um eine elegante Armbanduhr am Lederband mit einer sanften Linienführung. Sie sollte eine Hommage an den historischen Flug von Kopenhagen nach Los Angeles über den Nordpol sein. Dabei wurden die ersten Ausführungen dieser Uhr an die Crew der skandinavischen Airline SAS übergeben, als das Flugzeug in Los Angeles am LAX Flughafen landete.
Die Constellation
1959 überarbeitete Genta auf Wunsch von Omega die Constellation Serie, welche damals ihr Flaggschiff war. Er konnte mit einem einzigartig designten Zifferblatt neuen Wind in die Segel bringen. Somit verhalf er Omega dazu, über einen langen Zeitraum an der Spitze der begehrten Uhrenmarken mitzuspielen. Zu dieser Zeit machte sich Genta langsam auch den Namen als „Star Designer“.
Die Royal Oak
Doch eine der bemerkenswertesten Modelle dürfte die Royal Oak sein. Dabei inspirierte sich der sogenannte Maestro an einem alten Taucherhelm.
Dieses industrielle Design fasste er dann bei der Royal Oak auf, indem er eine achteckige sehr rustikale Lünette auf dem Gehäuse verschraubte. Gleichzeitig wendete seine typische Designsprache an, indem er das Armband fließend in das Gehäuse übergehen ließ. Die Legende besagt, dass das Modell in nur einer Nacht skizziert wurde.
Eines Nachmittags kontaktierte der Managing Director von Audemars Piguet Georges Golay Gerald Genta und teilte ihm mit, dass er dringlichst eine neue Stahl Sportuhr brauchte, die es so zuvor noch nie gegeben hatte. Der Manager forderte das Design für den nächsten Tag. Und Genta entwickelte daraufhin die Royal Oak. Das Design stieß schließlich bei AP auf große Begeisterung und sie begannen einen Prototyp herzustellen. Der Rest ist Geschichte…
Falls wir jetzt Neugier in dir geweckt haben und du mehr zu dieser Uhr wissen möchtest musst du unbedingt unseren Beitrag „Royal Oak, der Rolex-Killer“ lesen.
Die Nautilus
Bereits wenige Jahre später in 1976 sollte der nächste große Geniestreich folgen. Genta entwarf das Pendant zur Royal Oak für Patek Philippe, nämlich die Nautilus. Diese war wie der Name schon verrät ebenfalls an der nautischen Welt inspiriert. Ihre Lünette war oval, wie die Bullaugen transatlantischer Schiffe und ihren ikonischen Namen bekamen sie durch eine Novelle von Jules Verne, in welcher Kapitän Nemo ein U-Boot namens Nautilus hatte.
Die Nautilus entwarf Genta sogar noch flotter als die Royal Oak. Denn Genta soll die erste Skizze innerhalb von fünf Minuten auf einer Serviette im Restaurant entworfen haben.
Dennoch wurde die Nautilus zum größten Erfolg von Patek.
Wir haben auch der Nautilus von Patek Philippe bereits einen eigenen Beitrag gewidmet, den du hier findest.
Die Ingenieur
Ein weiteres ikonisches Modell, bei dem Genta seine Finger mit im Spiel hatte, ist die IWC-Ingenieur. Bei dieser Uhr setzte Genta das Grunddesign, auch wenn sich dieses im Laufe der Jahre stark verändert hat. Die Designsprache des sogenannten Maestros ist klar abzulesen denn die Lünette ist ebenfalls mit fünf Schrauben verschraubt und die Uhr verfügt über einen in das Gehäuse übergehendes Armband ganz nach Genta-Manier.
Die Bulgari-Bulgari
Doch Genta zog die verschiedensten Inspirationsquellen heran. Die Bulgari-Bulgari erinnert beispielsweise an eine Münze aus dem antiken Rom. Die Armbanduhr ähnelt also stark Erscheinungsbild einer Münze mit dem Bulgari Schriftzug auf der Lünette. Diese Uhr erschien so einfach, wie genial und auch sie wurde zu einem großartigen Erfolg.
Die Gefica Safari
Eine weitere bemerkenswerte Kreation von Genta ist die Geifca Safari. Diese wurde nämlich auf Nachfrage von Safari Jägern entworfen. Der Name ergibt sich aus den jeweils zwei Anfangsbuchstaben der Jäger. (Geoffroy, Fissore et Canali)
Aber auch die Komplikationen dieser Uhr sind bemerkenswert. Denn sie verfügt über eine Mondphase und einen Kompass.
Außerdem bestand der Uhr aus Bronze, was ebenfalls äußerst ungewöhnlich war. Dabei war diese Wahl kein Zufall. Das Metall hat die Eigenschaft, dass es nicht so sehr im Sonnenlicht reflektiert und somit besser ablesbar bei einer Safari ist.
Die Disneykollektion
Doch die Erfolgsserie hört nicht auf, in den 1980ern erhielt Genta eine exklusive Lizenz von Walt Disney eine limitierte Edition von Uhren mit Disney Figuren zu entwerfen. So gibt es Ausführungen im Mickey Mouse-, Donald Duck- und Minnie Mouse-Design.
Die Cartier Pasha
1985 erneuerte Gerald Genta das Design der Cartier Pasha, welche von Louis Cartier entworfen worden war. Dabei fasste er das alte Grunddesign erneut auf doch versah sie mit seiner eigenen Handschrift, welche von der Balance zwischen Luxus und Sport gezeichnet war. Der neuen Pasha gelang genau das. Denn es wurde die alte Eleganz beibehalten, aber dennoch eine neue Sportlichkeit ausgestrahlt. Genta entwarf eine neue runde Form die zwar Grenzen aufbrach, aber die alten Kernfunktionen der Pascha beibehielt.
Die Octogonal
Genta hatte anscheinend eine Schwäche für achteckige Formen. 1991 entwarf er für seine eigene Marke eine Armbanduhr. Dabei handelte es sich um eine sehr originelle Uhr im achteckigen Design.
Die Grande Sonnerie
Doch die Krönung sollte dann mit der Grande Sonnerie kommen im Jahre 1995. Diese war so einzigartig und revolutionär, dass sie ganze fünf Jahre in der Entwicklung brauchte. Sie zählt noch heute zu den kompliziertesten und fortgeschrittensten mechanischen Armbanduhren der Welt. So besteht die Uhr zu aus mehr als 1000 Einzelteilen. Das Besondere an ihr ist, dass ihre Minutenrepetition auf demselben System basiert wie das Glockenspiel des Big Ben in London. Zudem verfügt sie noch über einen ewigen Kalender. Die Grande Sonnerie ist in allerlei Hinsicht ein wahrhaftiges Meisterwerk.
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Der Genta Style
Tatsächlich war Genta der erste Uhrendesigner seiner Art. Er selbst behauptete dies im Nachhinein. Denn zu seinem Beginnen gab es kaum eigene Designer mit revolutionären Ideen. Im Gegenteil die meisten strebten einfach den großen Uhrenhäusern nach. Genta brach mit seinen eigenen Ansätzen dieses Muster auf.
Wenn man einen Blick auf die heutige Uhrenszene wirft, gibt es eigentlich kaum jemanden, bei dem es gerecht wäre zu behaupten, dass er in Gentas Fußstapfen tritt. Denn beinahe niemand verfügt über eine solche Vielfalt in seinen Designs und hat einen so großen Einfluss auf die Uhrenindustrie. Ein nennenswerter Name wäre vielleicht Richard Mille, der mit seinen außergewöhnlichen sportlichen Designs erneut die Luxusuhren Landschaft zu Beginn der 2000er aufbrach und eine komplett neue Kategorie erschuf.
Doch Gentas einzigartige Exzellenz sahen auch andere Uhrenvirtuosen. Jean-Clauder Biver äußerte sich folgendermaßen zu Genta:
„Er war ein großer Mann, ein Star, auch wenn es das damals noch gar nicht gab“.
Ja, Genta könnte womöglich einer der ersten Stars der Uhrenindustrie gewesen sein.
Man sagt, dass er eine eigene Designlinie hat. Diese besteht aus unkonventionellen Formen mit meist sanfter Linienführung, die aus ungewöhnlichen Inspirationsquellen entspringen.
Doch man spricht Genta tatsächlich auch oft Uhren zu, an denen er gar nicht mitgewirkt hatte. So heißt es oft, dass er beim Design der Rolex Datejust mitgewirkt hätte. Laut eigenen Angaben hat er dies aber nicht, was er selbst bereut, denn er hielt diese Uhr für die perfekte Armbanduhr.
Wir wissen ebenfalls dass die Tissot PRX nichts mit Genta zu tun hat, welche ihm irrtümlich auch öfters zugesprochen wird.
Nichtsdestotrotz zeigt das nur auf, dass seine Sprache so dominierend und wieder erkennbar ist, dass sie selbst bei Modellen, die nichts mit ihm zu tun haben wiedererkannt wird.
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Fazit – Welchen Einfluss hatte Genta?
Um so zu einem Schluss zu kommen, lässt sich festhalten, dass Gerald Genta einer der bedeutendsten Namen in der Geschichte der Uhrenindustrie war. Er konnte mit seinem revolutionären Design alte Raster und Konventionen aufbrechen. Diese Auswirkungen machten sich bis heute in der Luxusuhrenwelt bemerkbar. Denn Genta war seiner Zeit voraus, sodass viele seine Genialität erst Jahre später bemerkten.
Denn auch heute noch zählen Modelle wie die Royal Oak oder die Nautilus zu den beliebtesten Armbanduhren überhaupt und ihr außergewöhnliches Design ist keineswegs aus der Mode gekommen. Dies beweist, wie zeitlos Gerald Gentas Schöpfungen sind.
Der Maestro selbst wird ewig in seinen Kreationen, welche für die Ewigkeit geschaffen sind, weiterleben.
Vielen Dank an Gerald Genta Heritage, für die Bilder des Designers.
Quelle Titelbild: Gerald Genta Heritage
Über den Autor
Alexander Weinberger
Für mich ist das Faszinierendste an Uhren das Zusammenspiel aus präzisem Handwerk und künstlerischer Entfaltung. Hunderte kleine Teile müssen bei einem Uhrwerk exakt so zusammengesetzt werden, dass sie ein großes Ganzes ergeben.